Gabun: Posse um Dekret von 1974 gegen “Präsidentenbabys“

Gabun: Posse um Dekret von 1974 gegen ''Präsidentenbabys''
Darf ich Brice Clotaire Oligui heißen oder nicht?

Dass man in Gabun seine Neugeborenen so ziemlich nennen kann, wie man will, habe ich dort oft festgestellt. Kinder tragen komplette Namen – einschließlich des Nachnamens – von irgendwelchen Personen, die die Eltern bewundern, die ihnen ein Vorbild sind oder denen sie ein Denkmal setzen wollen. Mehrere Elvis Presleys und Franz Beckenbauers habe ich dort kennengelernt, ein Chauffeur der Luftfahrtbehörde, bei der ich seinerzeit gearbeitet habe, hieß Jan Ullrich, der Sohn eines Kollegen Lenin mit Vornamen, usw., aber: ein Präsidialdekret aus dem Jahr 1974, das jetzt aus dem Nationalarchiv ausgegraben wurde, verbietet ausdrücklich, Kindern die Namen und Vornamen des Präsidenten der Republik Gabun zu geben.

Nun wurden aber im Februar 2024 Eltern, die ihr Baby nach dem Vor- und Nachnamen des neuen Junta-Präsidenten Brice Clotaire Oligui benannt hatten, von der Regierung mit 5 Millionen CFA-Francs (rd. 7.500 Euro) belohnt – ein Widerspruch zu diesem Dekret, das eindeutig besagt, dass „es verboten ist, Kindern die gesamten Vor- und Nachnamen des Präsidenten der Republik zu geben, außer Kindern, die am 17. August, dem Nationalfeiertag, geboren wurden“.

Nun regt sich Widerstand im Land: wie konnten die höchsten Regierungskreise dieses angeblich immer noch gültige Dekret ignorieren?  Oder ist dieser Gesetzestext, der unter der Präsidentschaft von Omar Bongo erlassen wurde, einfach außer Kraft gesetzt worden, obwohl er formal nicht aufgehoben wurde?

Für Juristen bedeutet ein „außer Kraft getretenes“ Gesetz, dass es aufgrund seiner Unangepasstheit an die soziale Realität nicht mehr angewendet wird oder vor Gericht nicht mehr geltend gemacht werden kann. Könnte dies auf die jüngst im Land registrierten Fälle zutreffen, mehr als 50 Jahre nach seiner Verkündung?

Die angeblich vom Präsidenten ausgehende Initiative, eine Namensgebung zu belohnen, die gegen dieses Dekret verstößt, entfacht unweigerlich die Debatte über die mögliche Fortsetzung der nepotistischen Praktiken der Bongo-Ära trotz des laufenden demokratischen Übergangs und wirft die Frage nach Achtung der Rechtsstaatlichkeit auf. Die Behörden werden sich entscheiden müssen: soll es offiziell aufgehoben werden, um den Bruch mit der Vergangenheit auszudrücken und alle rechtlichen Unklarheiten zu beseitigen? (ia)