Buchtipp: Leye Adenle „Zügel der Macht „

Buchtipp: Leye Adenle "Zügel der Macht "

Lagos, Wirtschaftsmetropole Nigerias, bekannt durch das gravierende Missverhältnis zwischen Reich und Arm, sowie Korruption und hohe Kriminalitätsraten, ist Schauplatz dieses Thrillers.

Der Roman beginnt mit der Studentin Florentina, die ihren Körper verkauft, um sich das Studium leisten zu können. Von ihrer Familie kann sie keine Unterstützung erwarten. Florentina hat zwei feste Freunde, einen Banker und einen bekannten Geschäftsmann, was ihr erlaubt, ihre Studiengebühren zu bezahlen, gut zu essen und sich etwas Luxus zu gönnen.

Mit dem Versprechen, viel Geld verdienen zu können, gerät sie in die Fänge von Malik, Betreiber des Clubs Harem. Florentina muss dort mehrere Wochen bleiben. Abgeschirmt von der Außenwelt, darf sie auch nichts über ihre potenziellen Kunden weitergeben. Eines Tages wird ein wichtiger Kunde angekündigt, der die neuen Mädchen immer als Erster ausprobieren will.  Es ist Florentinas Freund, der bekannte Geschäftsmann, der Chief.

Guy Collins, ein britischer Journalist, wird von seiner Zeitung nach Lagos geschickt, um über die Präsidentschaftswahlen zu berichten. Dort angekommen möchte er die Stadt erleben, auch um seiner früheren Freundin Melissa imponieren zu können. Sie hat nigerianische und britische Elternteile.

Sein Weg führt ihn auf Empfehlung des Rezeptionisten seines Hotels in das Lokal Ronnie, ein Nachtlokal. Dort erfährt er von einer Frau, die in den Straßengraben geworfen wurde und deren Brüste entfernt wurden. Ein Ritualmord, damit Politiker ihre Wahlen gewinnen, so wird es ihm erzählt. Seinem Entsetzen gibt er lautstark Ausdruck, wird festgenommen und in eine Zelle gesteckt, da er sich nicht ausweisen kann. Das quälende Verhör, die Brutalität der Polizei bei ihren Methoden, das Einkassieren seines Telefons belasten ihn schwer, bringen ihn an die Grenze des Erträglichen.

Amaka, Anwältin für die Wohltätigkeitsorganisation Street Samaritans gelingt es, Guy aus den Fängen der Polizei zu holen. Sie gerät immer wieder in lebensbedrohliche Situationen, aus denen sie sich nur mit Unterstützung ihrer Freunde retten kann. Sie hat ein Netzwerk aufgebaut, verfügt über eine Datei mit Namen, Adressen und Autonummern von Männern, die Sexarbeiterinnen aufsuchen. Sie arbeitet mit und für Frauen, die, wie sie es formuliert, nie die Wahl hatten. Die Frauen kontaktieren die Anwältin, nennen den Namen ihres Kunden und seine Autonummer. Sie überprüft die Angaben und gibt ihre Unbedenklichkeit per Mobiltelefon an die Frauen weiter. Das bedeutet, diese Kunden sind nicht in ihrer Datei mit den gefährlich eingeschätzten Klienten. Immer wieder geschieht es, dass Frauen mit Männern mitgehen, die sie verprügeln, nicht bezahlen, sie vergewaltigen oder mit Hunden zum Sex zwingen. Oder die Männer, die Frauen mitnehmen und die nie wieder zurückkommen.

Amaka bittet Guy, nicht wegzuschauen, sondern von all den erlebten Gräueltaten zu berichten. Ebenso von den schwer zu durchschauenden zahlreichen Verstrickungen zwischen den reichen und einflussreichen Geschäftsleuten, den Politikern und der Polizei.

Amaka erzählt Guy von ihren traumatischen Erlebnissen in der Kindheit. Ihre Mutter begleitete ihren Mann zu seinen diversen Dienststellen und überließ ihre Tochter dem Hausmädchen. Im Alter von zehn Jahren wird sie von den Bedientesten zu Dingen gezwungen, die sie nicht will, lügt jedoch und beschuldigt ihr Hausmädchen Aunty Baby, ihr Gewalt angetan zu haben. Nach mehreren Jahren trifft Amaka diese wieder. Sie erzählt ihre Geschichte nach dem Rauswurf aus ihrem Haus: sie lebte auf der Straße, heiratete den alten Pförtner, um nicht nach Ghana ausgewiesen zu werden. Nach dem Tod ihres Mannes musste sie ihren Körper verkaufen, um zu überleben.

Über Aunty Baby lernte sie andere Frauen kennen, die in dieses Leben auf den Strich gezwungen waren. Aunty Baby unterstützt Frauen in ihrer schwierigen Lage. Amaka setzt diese Arbeit mit ihren Mitteln fort.
Bis zur letzten Zeile bleibt das Buch spannend, nicht zuletzt die Begegnungen des Journalisten und der engagierten Anwältin.

Der nigerianische Autor Leye Adenle schreibt Krimis und Thriller. Er entwirft ein beklemmendes Szenario, bei dem sich die Protagonisten unentwegt um ihre Sicherheit kümmern müssen.

„Viel Gewalt ereignet sich“, so der Autor. Es ist ein Bild der nigerianischen Gesellschaft.

Komplexe Handlungen, aufschlussreiche Dialoge, ein immenses Erzähltempo garantieren eine Lektüre mit viel Spannung und mitreißender Dramatik.

Der vorliegende Roman ist der Erste in dieser Reihe. Angekündigt wird vom Verlag eine Lagos-Thriller-Trilogie (Theresa Endres).

Leye Adenle
Zügel der Macht
Aus dem Englischen von Yasemin Dincer

InterKontinental Verlag, 2024 – 354 Seiten, 24,50 EURO

ISBN 978-3-9823281-8-8