Buchtipp: Francesca Ekwuyasi „Butter Honig Schwein Brot“

Buchtipp: Francesca Ekwuyasi "Butter Honig Schwein Brot"

Der Roman konzentriert sich auf drei Frauen. Familiäre Ereignisse stehen im Zentrum der differenzierten Darlegung des Geschehens. Die Beschreibungen sind in vier Kapitel gegliedert. Sie schildern das Kaleidoskop von Gefühlen, offenen Fragen, Distanz und Akzeptanz, Vertrauen, Enttäuschung und Sehnsucht. Ausgewählte Orte der Erzählungen beziehen sich auf Lagos in Nigeria, auf London, Tanger (Marokko), Halifax, Montreal und Montpellier. Angesiedelt auf diesen Kontinenten, mit ihren unterschiedlich geprägten kulturellen Hintergründen, wirtschaftlichen und politischen Ereignissen.

Kambirinachi, eine Hauptfigur, hat Bildende Kunst in Ife, Nigeria, studiert. Sie ist groß geworden bei ihrer Tante, immer hat sie auf ihre Mutter gewartet. Ihr Leben spielt sich ab zwischen Lagos und London, ihr Mann studiert und arbeitet dort. Mit der Geburt ihrer Zwillinge Taiye und Kehinde ändern sich ihre Lebensverhältnisse: auch weil ihr Mann seine Arbeit verliert. Die Familie geht zurück nach Lagos.

Taiye wächst mit ihrer Schwester Kehinde auf. Sie besuchen gemeinsam eine Schule, wie auch schon ihre Mutter und Großmutter. In dieser Zeit sind die beiden Schwestern unzertrennlich. Zusammen mit ihrer Tante und ihrem Onkel teilen sie sich ein Haus. Nach dem grausamen Mord an ihrem Mann Banji versinkt ihre Mutter in tiefer Trauer. Sie überlässt ihrer Tante die beiden Schwestern.

Ihr Onkel vergewaltigt Kehinde. Ihre Schwester Taiye, die unter dem Bett mit ihrer Taschenlampe liest, ist wie gelähmt vor Entsetzen und kann nicht reagieren. Sie hat Angst vor dem Onkel und schweigt deshalb. Niemand anders scheint die Vergewaltigungen bemerkt zu haben.
Wie ihre Mutter besucht Kehinde das College, sie wartet sehnsüchtig auf die versprochenen Besuche ihrer Eltern. Mit 18 Jahren erhält sie ein Stipendium für Kanada.

Taiye geht mit 17 Jahren zum Studium der Chemie nach London, ihre Schwester bleibt zurück. Später geht sie nach Halifax, nicht weit von Toronto. Beide leben in Kanada, in verschiedenen Provinzen. Ihre frühere enge Beziehung gerät mehr und mehr ins Wanken. Sie haben keinen Kontakt zueinander.

Taiye hat ihre Vorliebe für das Kochen entdeckt. In Montpellier kann sie an einem Kurs Französisch sprechen und katalanisches Kochen mitmachen. Mit viel Geduld zaubert sie die leckersten Gerichte.

Die tiefsitzenden Gefühle von Taiye, verlassen und allein zu sein, werden immer wieder sichtbar. Sie flüchtet sich in wechselnde Beziehungen zu Frauen, auf der Suche nach Nähe und Geborgenheit.

Ihre Schwester Kehinde kündigt ihren Besuch mit ihrem Mann an, den sie der Familie vorstellen will. Taiye entzieht sich den Gesprächen und kümmert sich ausgiebig um das leibliche Wohl, indem sie die Familie mit ihren Kochkünsten überrascht.

Die zahlreichen Briefe, die Taiye an ihre Schwester richtet, liest sie erst Jahre später, als sie sich bei ihrer Mutter wiedersehen. Taiye hat diese Briefe nie abgeschickt. Ihre Freundin motiviert sie dazu, das über Jahre Geschriebene an ihre Schwester zu übergeben.

Der Roman veranschaulicht mit dem Porträt der drei Frauen, wie verschiedenartig sie in ihrem Umfeld agieren. Diese Erzählungen zeigen auf, wie schmerzlich die gemeinsamen Prozesse, die sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen, wie verletzlich die handelnden Personen gegenseitig sind. Der Roman dokumentiert, wie das Verlassenwerden, in den drei Generationen der Familie eine wichtige Rolle gespielt hat.

Beim Zusammentreffen im Haus der Mutter fällt es Taiye und Kehinde schwer, über die Geschehnisse, ihre Gefühle, Ängste offen zu sprechen. Die Mutter und die beiden Schwestern versöhnen sich. Sie sind überzeugt, dass das Zeigen ihrer Verwundungen, das Verzeihen, ihre Zuneigung füreinander, ihnen geholfen haben, den fehlenden Kontakt wieder aufzubauen und aufrechterhalten zu können und sie wieder gegenseitiges Vertrauen finden.

Kambirinachi und Taiye entschließen sich, bei der Geburt des Kindes von Kehinda dabei zu sein und sie zu unterstützen.

Der Roman mit seinem Vergangenheits- und Gegenwartsbezug schlüsselt die familiären Konflikte auf. Er wirft einen aufmerksamen Blick auf bewegende und einprägsame Phasen der Existenz von Kambirinachi, Kehinde und Taiye. Die breite Palette von ambivalenten Gefühlen, Erfahrungen und widersprüchlichen Empfindungen, Freude und Zuversicht spiegeln sich wider in den Lebensgeschichten der drei Frauen.

Die Herkunftsfamilie und den Freundeskreis zu verlassen, sich neu zu orientieren, die Suche nach Identität sind breitgefächerte Fragestellungen.

Der Autorin gelingt es, mit diesem Roman den Nachweis zu erbringen, dies lebendig zu skizzieren und zu einer fesselnden Lektüre zu machen.

Die Autorin, geboren in Lagos, Nigeria, hat für diesen Debütroman 2022 den Preis für queere Nachwuchsautor:innen gewonnen (Theresa Endres).

Francesca Ekwuyasi
Butter Honig Schwein Brot
Aus dem Englischen von Anna von Rath
InterKontinental Verlag Berlin, 2024
380 Seiten, 27,00 Euro
ISBN 978-3-911361-00-2